Die Stimmen der Heuschrecken
-
Autor:Christian Roesti und Bruno Keist
-
Erscheinungsjahr:2009
-
Sprache:Deutsch
-
Web:
Dieses schöne Buch (mit DVD) erschien bereits vor vier Jahren und wurde bedauerlicherweise in der Articulata bisher noch nicht vorgestellt. Das wird nun nachgeholt, da mit dieser Publikation nicht nur interessierte Laien sondern vor allem auch fortgeschrittene Heuschreckenkundler und Kartierer angesprochen werden sollen, die im Gelände gehörte Heuschreckengesänge bestimmen oder verifizieren wollen.
Die Intention der Autoren war, mit dieser Zusammenstellung und Beschreibung der Heuschreckengesänge das Grundlagenwerk "Die Heuschrecken der Schweiz" (BAUR & ROESTI 2006), in dem nur am Rande auf die Lautäußerungen eingegangen wird, zu ergänzen. Dies ist - um es vorweg zu nehmen - vorbildlich gelungen. Im - mit 144 Seiten sehr kompakt gehaltenen - Textteil, der durch das praktische DIN A5-Format und den Kartoneinband außerdem recht handlich ist, werden die Lautäußerungen aller in der Schweiz vorkommenden Heuschreckenarten dargestellt. Außerdem sind noch neun weitere Arten angefügt, die in der Schweiz fehlen, aber in Deutschland vorkommen. Letztere sind wie im o.g. Grundlagenwerk mit Körpermerkmalen, Verbreitung, Lebensraum und Lebensweise beschrieben. Das Buch gliedert sich in einen kurzen allgemeinen Teil mit Erklärungen zur Thematik und in einen Bestimmungsteil, in dem jede Art vorgestellt wird. Hier wird auf allgemeine Artbeschreibungen vollständig verzichtet, abgesehen von illustrierenden, qualitativ hervorragenden Tierfotos. Der Fokus liegt ausschließlich auf der Darstellung der Lautäußerungen mit textlicher Beschreibung von Spontan-, Rivalen-, Werbe- und Wechselgesang sowie allen sonstigen Stridulationshandlungen (z.B. Mandibellaute, Bein- und Körperbewegungen), mit Hinweisen auf Verwechslungsmöglichkeiten und mit Abbildungen von Oszillogrammen, die die Muster von Silben, Versen und Gesangsrhythmik visualisieren. Für die Feldpraxis sehr hilfreich ist auch die als farbige "Timeline" dargestellte tageszeitliche Gesangsaktivität jeder Art.
Das eigentliche "Herzstück" der Publikation ist natürlich die beigefügte DVD, die die aktuell wohl umfangreichste Sammlung verschiedener Heuschreckengesänge beinhaltet. Die Tonaufnahmen, bewusst vorwiegend im Freiland aufgenommen, liegen jeweils als mp3- und wav-Dateien vor.
Dies ermöglicht dem Nutzer, im Feldeinsatz auf mobilem Abspielgerät die kompakten, aber etwas im Frequenzspektrum beschränkten mp3-Gesänge "dabei" zu haben und für Anwendungen unter Laborbedingungen (z.B. als Klangattrappen) die hochwertigen wav-Dateien zu verwenden. Von jeder Art sind mehrere Lautäußerungen aufgenommen worden und im Dateinamen genau charakterisiert. So kann durch direktes Anklicken/Auswählen gezielt Spontangesang, Rivalengesang, Werbegesang, Wechselgesang (sofern artspezifisch vorhanden) und auch mit Ultraschalldetektor aufgenommener Gesang abgespielt werden. Hinzu kommen auch noch Aufnahmen von Rufen anderer Tierarten wie Vögel, Amphibien und Zikaden, die bisweilen mit Heuschrecken verwechselt werden können.
Auf der DVD sind die Tonaufnahmen thematisch in mehreren Ordnern verteilt. Neben dem sehr umfangreichen Bestimmungsteil-Ordner sind in einem weiteren Ordner auch die Gesangsfragmente gespeichert, aus denen die Oszillogramme im Buch erstellt wurden. Somit kann man direkt das Bild mit dem dazugehörigen Ton zusammenführen und ein Gespür für das "Lesen" von Oszillogrammen entwickeln. Auf der DVD befinden sich außerdem noch eine Datentabelle der Gesangsaufnahmen, eine kommentierte Artenliste, ein Literaturverzeichnis, ein kurzes Autorenportrait sowie eine Artenliste mit der korrekten Silbenbetonung der wissenschaftlichen Artnamen. Letzteres sicher unter dem Motto "was ich schon immer mal wissen wollte (aber nicht zu fragen traute...)".
Fazit: Das Buch und die DVD runden das Grundlagenwerk zur Heuschreckenfauna der Schweiz perfekt ab. Mit der kompakten, aber dennoch ausführlichen Darstellung der Lautäußerungen aller Heuschreckenarten in Wort, Bild und Ton wird das Werk aber für alle Heuschreckenfreunde im mitteleuropäischen Raum zu einer wertvollen Informationsquelle. Daher wurde wohl auch im Titel auf die Nennung des Bezugsraumes 'Schweiz' verzichtet.
Wenn es denn überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann vielleicht, dass bei den neun Arten aus Deutschland auf eine Beschreibung der Lautäußerungen verzichtet wurde. Das ist schade und wirkt eher wie eine Anfügung aus dem Schwesterwerk, statt wie ein Teil des vorliegenden Buches. Auf der DVD befinden sich dennoch Tonaufnahmen dieser Arten.
Heuschreckengesänge wurden schon früher auf Tonträgern als Bestimmungshilfen publiziert. Die Fülle der Aufnahmen, die durch digitale Technik erzielte exzellente Tonqualität und die anschauliche Darstellung im Text setzen jedoch neue Maßstäbe. Ein klare Kaufempfehlung!
Georg Waeber (31.06.2014); publiziert in ARTICULATA 28 (1/2), 2013